Mit Pfefferspray gegen Care-Demonstrant_in

Das folgende Interview habe ich mit einer Mitdemonstrant_in geführt, die ich am 1.6.2013 auf der Blockupy Demonstration in Frankfurt a.M. getroffen habe. Auf eigenen Wunsch bleibt die Demonstrant_in anonym.
Utopolitan: Wir haben uns das erste Mal auf der Blockupy-Demonstration getroffen. Wofür wolltest Du dort demonstrieren?
Ich wollte eigentlich im „Care“-Block demonstrieren, leider hatten wir den Block gerade zu dem Zeitpunkt erreicht, als die Demonstration von der Polizei gestoppt worden war. Ich wollte für eine feministische Perspektive in der Blockupy-Bewegung und in der linken Kapitalismuskritik demonstrieren. Es geht mir darum, dass die mit der „Finanz-Krise“ verbundene Krise der sozialen Reproduktionsverhältnisse, die sich im Bereich von Care-Arbeit zeigt, thematisiert wird. Es geht mir dabei um das Aufzeigen der Verschränkung der vielfachen Machtmechanismen in der Care-Arbeit und darum, dass es in der Diskussion um die Bewältigung der Finanzkrise nachrangig um die Bedürfnisse der Menschen geht und dass dies eine Perspektive zeigt, die auch in Nicht-Krisen-Situationen des Kapitalismus herrscht. Es geht um die Achtung der Care-Arbeit an sich, aber auch darum, dass den Bedürfnissen der Menschen generell mehr Bedeutung und Beachtung geschenkt wird und deren Missachtung nicht als nichtintendierte Nebenfolge des kapitalistischen Systems zu verstehen ist, sondern als politisch grundsätzliche Frage. Für mich geht es dabei um das Recht aller Menschen, ein Leben zu führen, in dem die vielfältigen und vielseitigen Bedürfnisse Platz und Raum haben.
Utopolitan: Du warst sehr aufgewühlt, als ich Dich nachmittags beim
Verdi-Lautsprecherwagen traf. Was war passiert?
Wir warteten die ganze Zeit auf der Höhe des „Care-Blocks“ darauf, dass die Demonstration weiterging. Wir standen mit einigen anderen wartenden Leuten in einem Durchgang zwischen dem hinteren Teil des Gebäudes der Oper Frankfurt und einem kleinen Park. In der Mitte des Durchgangs stand ein weißer Kombi der Polizei, auf dessen Dach eine Kamera montiert war, die sich drehte und während der gesamten Wartezeit offenbar die Umstehenden filmte. Die Leute im Demonstrationszug auf der Hofstrasse standen einige Meter von uns entfernt. Der Durchgang zum vorderen Teil der Oper war durch Zäune, die die Polizei dort angebracht hatte und dahinterstehenden PolizistInnen abgeriegelt.
Wir warteten an der beschriebenen Stelle ca. 2 Stunden, in denen wir immer wieder versuchten, herauszufinden, wieso die Demo überhaupt gestoppt worden war, jedoch verstanden wir weder die Durchsagen von den Lautsprecherwagen, noch konnten PolizistInnen uns eine plausible Auskunft geben. Um ca. 15 Uhr hatten sich an dem Durchgang mehrere Leute angesammelt, die alle wissen wollten, wie es mit der Demo weiterginge, unter anderem waren darunter drei ältere Menschen, die in meiner direkten Nähe standen; dann flog auf den erwähnten weißen Kombi der Polizei ein roter Farbbeutel. Zum gleichen Zeitpunkt hatten sich hinter der erwähnten Polizeiabsperrung ca. 15 PolizistInnen in einer Reihe versammelt. Ich stand bestimmt drei Meter von den PolizistInnen entfernt, als ich bemerkte, wie diese sich ohne Ankündigung in Bewegung setzten und die Leute in meiner Nähe anfingen, sich hektisch zu bewegen.  Ich duckte mich und wollte nur noch aus der Menge herauskommen, einige der DemonstrantInnen schrien und dann spürte ich auf einmal etwas Nasses auf meinem Gesicht. Meine rechte Gesichtshälfte und meine beiden Augen begannen fürchterlich zu brennen, weil mir über die anderen Menschen hinweg Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden war. Mein Freund zog mich aus der Menge heraus und ich versuchte, meine Augen und meine geschwollene Haut vom Pfefferspray zu reinigen.
Utopolitan: Es gibt die Meinung, dass die Polizei zurecht präventiv
gewaltbereite Demonstrierende gekesselt habe. Was meinst Du nach Deinen Beobachtungen dazu?
Was ich gesehen hatte, war eine Rakete gewesen, die aus dem Demonstrationszug abgefeuert worden war, außerdem hatte ich einen Busch gesehen, der qualmte und der von der Polizei mit einem Feuerlöscher gelöscht wurde. Meiner Meinung nach waren diese Taten kein Grund, die ganze Demonstration zu stoppen, weil es meiner Meinung nach eine politische Auslegung ist, diese Taten als gewaltbereit auszulegen oder nicht. Aus diesem Grund meine ich, dass die Interpretation und Beurteilung dieser Taten als „Bedrohung“ ein Anlass war, der gesucht wurde, um die Demonstration stoppen zu können und ein Versuch, die Bewegung und alle Teilnehmenden zu kriminalisieren.
Utopolitan: Wirst Du wieder Demonstrieren gehen und wenn ja, was wird anders sein?
Ja, ich werde auf jeden Fall und immer wieder demonstrieren gehen, weil das ein grundlegendes Recht ist. Allerdings habe ich bei dieser Demonstration zum ersten Mal in meinem Leben erlebt, wie ausgeliefert und zu unrecht man behandelt werden kann.
Es war für mich ein Schock zu merken, dass die Polizei als Vertreterin der staatlichen Macht mich körperlich angreifen kann, es in Kauf nimmt, mich zu verletzen, obwohl ich nichts getan hatte, sondern einfach an dem Durchgang gestanden hatte.
Für mich stellt sich nach diesem Erlebnis die Frage, inwiefern innerhalb der Polizei und bei den Polizeikräften die Macht und Gewalt, die ihnen verliehen wurde, reflektiert wird und es hat mir gezeigt, dass menschliche Kollateralschäden für offenbar politische Zwecke in Kauf genommen werden. Ich werde sicher nicht mehr darauf vertrauen, dass Polizeikräfte mich ausschliesslich schützen, sondern bin mir jetzt bewusst, dass sie meine körperliche Unversehrtheit verletzen können, ohne dass ich mich wehren kann.
Utopolitan: Danke für das Interview.

 

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Transhumanismus – eine alte Idee jetzt noch dümmer

Transhumanisten wollen den Menschen mit technischen Mitteln vervollkommnen. Die Kritik, Transhumanismus gleiche dem Übermenschenkonzept der Nazis, versucht Natasha Vita-More von De:Trans mit folgendem Argument abzuwehren:

„Wir sollten uns aber nicht von den Fehlern der Vergangenheit leiten lassen.“

(SZ vom 8./9. 6. 2013, S. 18)

http://www.sueddeutsche.de/wissen/verbesserte-menschen-die-vielleicht-gefaehrlichste-idee-der-welt-1.1691220-2

Moment mal. Lesen wir diesen Satz vielleicht nochmal zum Mitschreiben:

„Wir sollten uns aber nicht von den Fehlern der Vergangenheit leiten lassen.“

Man soll also nicht aus Erfahrungen lernen. Für die Selbst-Vervollkommnung des Menschen ist das ein wirklich überzeugendes Programm.

Ich habe in meinem Leben echt schon viele Fehler gemacht, wahrscheinlich die meisten wirklich schwerwiegenden in Liebesbeziehungen. Zum Beispiel dieses Fremdknutschen.

Nach Vita-More und den Transhumanisten sollte ich aber nicht verzagen, geschweige denn mein Verhalten ändern, sondern einfach ein paar Neuro-Enhancer Pillen einwerfen, die mich glücklich und aktiv machen. Dann kann ich fröhlich weiter fremdknutschen, und dazu noch davon überzeugt sein, dass ich ein optimalerer Mensch bin als die Frau, die mich zurecht verlassen hat.

Stell Dir dieses Verhalten mal als Massenphänomen vor: Eine Gesellschaft von Fremdknutschern, die sich fantastisch finden. Na herzlichen Glückwunsch. in 2 Monaten wäre alles zusammengebrochen, Mord, Totschlag, Eifersucht, Einsamkeit.

Und weil es so schön war:

„Wir sollten uns aber nicht von den Fehlern der Vergangenheit leiten lassen.“

(Natasha Vita-More von De:Trans)