Über welche Waffendeals reden wir eigentlich und warum?

 

Günther Grass hat ein Gedicht geschrieben, in dem er sich unter anderem gegen die Lieferung eines deutschen Unterseebootes an Israel ausspricht. Ich finde grundsätzlich nichts schlecht daran, den Export eines atomwaffenfähigen Unterseebootes in eine Krisenregion zu kritisieren. Allerdings möchte ich einwenden, dass Israel in einer Lage ist, die mit der Lage anderer Staaten in Krisenregionen nicht vergleichbar ist: Das Territorium Israels ist umgeben von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, die seine Vernichtung als Staat Israel anstreben. Zudem sind innerhalb des Territoriums zwei wesentliche Gruppen bestrebt, den demokratischen Staat Israel in seiner bisherigen Form abzuschaffen: Die Hamas und andere Teile der islamistischen Opposition einerseits und rechte und ultraorthodoxe Israelis andererseits, die sich in den Siedlungen im Westjordanland kleine Staaten der Rechtgläubigkeit schaffen.
Die israelische Regierung befindet sich also in einer doppelten Zwangslage: Sie muss gegen ihre Feinde wie den Staat Iran nach außen und nach innen gegen ihre extremistische Opposition gleichermaßen Stärke demonstrieren, ohne zugleich sich selbst als Kriegs- und Gewaltherrschaft zu diskreditieren. Ein Staat, der unter diesen Umständen demokratische Entscheidungsstrukturen und die Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung aufrechterhält, ist aber keinesfalls mit der DDR oder Birma zu vergleichen, wie es Grass tut.
Die größte Gefahr, die ich sehe, ist, dass der Arabische Frühling durch eine Eskalation des Iran-Israel-Konflikts seine befreiende und demokratisierende Wirkung verliert. So gesehen ist Ahmadinejads Atomwaffendrohpolitik ein geschicktes Kalkül: Sie lenkt die Menschen von der eigentlich wichtigen politischen Frage ab, die lautet: Wie schaffen es die Völker der Region, ihre Gemeinwesen zu demokratisieren? Insbesondere Irans einziger Verbündeter in der Region, Syrien, ist in Gefahr, zu einem Beispiel für das Scheitern eines Demokratisierungsprozesses zu werden. Die eigentlich notwendige Debatte in Deutschland wäre also: Was tut die Regierung der BRD für den Demokratisierungsprozess in Syrien und gegen das Assadregime? Dass Grass als politischer Intellektueller die Öffentlichkeit von dieser Frage ab- und auf die Frage zulenkt, wie sich die deutsche Regierung zu Israel verhält, ist ein Fall von Übersichtslosigkeit, schlimmer noch aber sind die Intellektuellen Kreise in der deutschen Medienlandschaft, die sich diese Ablenkung zueigen machen, indem sie auf Grass öffentlichkeitswirksam verbal einprügeln. Sie alle verhalten sich wie ein Prüfling, der versucht, sich mit der Maus-Elefantentechnik aus der Affäre zu ziehen, die mir ein Freund vor einer Uniprüfung einmal verraten hat. Diese Technik funktioniert so: Auf die Frage des Prüfers, was man über den Elefanten wisse, antworte man: “ Ja, ein hochinteressantes Tier, dieser Elefant, sehr groß, ganz im Gegenteil zu einer Maus, die sehr klein ist, zur Familie der Nagetiere gehört, und …“ Hier beginnt man dann einen Vortrag über die Spezies der Mäuse, der die gesamte Prüfungszeit lang andauert.
Insofern ist eine fast richtig gestellte Frage, nämlich: „Warum beliefert eine deutsche Firma Israel mit Waffen?“ Tatsächlich verheerender für den politischen Diskurs, als eine vollkommen richtig gestellte Frage, nämlich: „Was tut Deutschland eigentlich für Frieden und Demokratie und Freiheit in der Region des Nahen Ostens?“
Die letzte Heldentat der Bundesregierung ist die scheinbar erteilte Genehmigung des Verkaufs von 200 deutschen Panzern an ein undemokratisches Regime, das von Saudi-Arabien. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,802257,00.html) Das ist genau das falsche Signal eines Landes, das erst vor 67 Jahren durch die Alliierten von der selbstverschuldeten Gewaltherrschaft befreit wurde und sich seit einiger Zeit als Botschafter von Freiheit und Demokratie versucht.