Allgemeinunwohl: Regierung will Solarförderung kürzen

Heute entscheidet der Bundestag über die von der CDU-FDP-Regierung geplante Kürzung der Solarenergieförderung um 30%.

Unsere Regierung hat keinen Weitblick: Während in Kanada bereits begonnen wird, ökologisch und ökonomisch katastrophale Ölsande zu fördern, weil Erdöl knapp wird und die BRD Erdgas aus Asien importieren muss, will die CDU-FDP-Regierung mit der Solarenergieförderung des EEG eine der wenigen wirklich nachhaltigen Subventionen kürzen.

Nicht nur werden hier errungene wirtschaftliche Erfolge wie der Aufbau der Solarindustrie in Bitterfeld (Hagelüken/Balser in SZ vom 29.3.2012, s. 3) zerstört, Die BRD macht sich ohne einen guten Anteil lokal erzeugter Energie auch von Staaten und Regionen abhängig, die nicht demokratisch und nicht sicher vor Kriegen und Bürgerkriegen sind.

Ich frage mich, welches langfristige Kalkül hinter der Politik der Bundesregierung steckt: Gaskraftwerke sind sicher eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Ergänzung zum bundesdeutschen Energiemix. Jedenfalls, wenn in Zentralasien keine politische Katastrophe entsteht, und für die nächsten 40 Jahre. Danach wird diese Ressource erschöpft sein. Gut, 40 Jahre sind für eine Regierung, deren weitester Zukunftshorizont die nächste Bundestagswahl ist und die sich deshalb auch schonmal innerhalb von drei Monaten von einer Befürworterin der Atomkraft zu ihrer Totengräberin wandelt, wirklich kein relevanter Zeitraum.

Wir können uns gerne darüber streiten, ob Solarzellen wirklich in Deutschland hergestellt werden müssen, oder ob es nicht egal ist, wenn sie stattdessen aus China importiert werden. Die Arbeitsplätze in Bitterfeld werden dann eben durch welche in der Region Shanghai ersetzt, weil die chinesische Regierung im Gegensatz zur bundesdeutschen keine Manschetten hat, ihre Wirtschaft staatlich zu fördern. Fahren wir eben die ökologisch sinnvollen Solarzellen in mit Schweröl betriebenen Containerschiffen um die halbe Weltkugel.

Was mich aber wirklich ärgert, ist, dass das Mantra vom schlanken Staat das allem zugrundeliegende Non-Plus-Ultra-Argument der CDU-FDP-Regierung ist, um mit Wittgenstein zu sprechen, der Punkt, an dem sich der Spaten der Begründung von Begründungen schließlich in der Hand der Kanzlerin umbiegt. Unter diesem Argument sind aber noch tausend andere, wichtigere, an die die Regierung mit ihrem neoliberalen Klappspaten nicht herankommt. Das unterste ist das Allgemeinwohl, und zwar das internationale.

Die Energiewende ist für dieses Allgemeinwohl eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre. Unsere Bundesregierung ist ihr nicht gewachsen.

Die Sonne geht auf

Ich bin erstaunt, dass gerade die Sonne aufgeht, denn sie ist gelb, nicht rot, wie es in diesem uraltschmachtfetzenden Arbeiterlied, dass unmerklich vom Patriarchat zeugt, angekündigt war:

 

„Dem Morgenrot entgegen…“

Da geht man sowieso immer jeden Morgen neu los und kommt nie an.

They‘ ve got the clocks, we’ve got the numbers.

Heute wird eine neue Form der Gewalt über uns ausgeübt: Die Diktatur des „Zeitmanangements“.

Wozu? Glaubt ihr nicht, wie ich, dass wir unsere Tage selber planen können? Ich gehe heute demonstrieren gegen die Privatisierung eines Krankenhauses. Je weniger Krankenschwestern, Ärzte und Angestellte, desto verlustreicher die Behandlung. Die einziegn, die gewinnen, wenn sie 500 Menschen auf die Straße setzen, sind die Aktionäre der Rhön-Klinikum AG. Vielen Dank für die wunderbare Behandlung. Werden Sie schnell wieder krank, damit wir an Ihnen verdienen können.

Sehen wir es doch auch aus einer weiteren Perspektive: 500 Menschen mehr auf der Straße sind 500 Menschen mehr auf der Straße.

Diese 500 menschen können sich ihre Zeit jetzt freier einteilen, sofern sie noch keine Familie gegründet haben, und mehr protestieren gegen die Privatisierung öffentlichen Gutes.

Ich fühle mit den verbleibenden Fachkräften.

Stellvertreterkrieg die allererste: Achilles sinnlos getötet

Achilles kämpfte stellvertretend für die Armee des Agamemnon bei der Belagerung von Troja mit Hektor, dem Stärksten aus dem Trojanerlager. So ein Zweikampf war in dieser Zeit üblich, wenn der Krieg nicht entschieden werden konnte, und keiner mehr länger Blut vergießen wollte.

Agamemnon schickte den stärksten und mutigsten seiner Untergebenen in den Stellvertreterkampf.

Achilles hat die Schnauze voll von dem Hauen und Stechen, will mit einem Zweikampf seine Männer schützen, damit endlich Schluss ist mit der ermüdenden Belagerung.

Der Held stirbt, aus dem Untergebenen wird ein endgültig Ergebener. Der Hintergrund war: Der senile Tattergreis Agamemnon wollte Achilles Frau, die schöne Briseis, und hat Achilles dafür draufgehen lassen. Achilles kämpfte dafür, dass der Wahnsinn aufhört, aber Agamemnon musste aus seinem Bauernopfer des Heldens nachträglich einen Sinn machen, der über das Rauben fremder Frauen hinaus geht, damit ihm seine Leute nicht in Scharen davonlaufen, daher ließ er weiterkämpfen, bis Trojas stolze Stadtmauern dem Erdboden gleichgemacht  waren. Das zum Anfang unserer hochgepriesenen abendländischen Kultur.

Nach Freud ist der Ursprung der Kultur der gemeinsame Aufstand der Söhne gegen den Vater. Darauf folge die Befreiung von der patriarchalen Herrschaft, aber auch das schlechte Gewissen wegen des Umsturzes der väterlichen Ordnung. Es scheint mir eher so zu stehen: Unsere Zivilisation trägt das Mal einer Vorgeschichte, in der senile Greise ihre Lebenserfahrung nutzten, um junge und unerfahrene Männer in den Tod zu schicken, damit sie sich zu Hause an deren Frauen vergehen konnten. Zum Dank haben die Tattergreise über die toten Helden Geschichten erzählt, aus schlechtem Gewissen, um sie „unsterblich“ zu machen. Die Geschichten sind ihnen leider gegen ihren Willen zu Aufklärung über ihre eigene Herrschaft geronnen.

 

Freiheit, Gleichheit, Solidarität

Wer glaubt, Freiheit und Gleichheit widersprächen sich und man könne den einen Grundwert der Französischen Revolution nur Auf Kosten des anderen in einem Gemeinwesen verwirklichen, der hat nicht verstanden, dass Solidarität sowohl die Bedingung von Freiheit und Gleichheit als auch ihre Synthese ist.

Daidalos und Ikaros oder die Tragik der Technologie

Kritische Theorie der Technologie – kurz erklärt

Mir ist gerade aufgefallen, dass die Botschaft der Technologiekritik von Habermas im Mythos von Daedalos und Ikaros enthalten ist:

Das Grundproblem der Kultur besteht darin, dass wir aus dem Gefängnis, das die Natur durch unsere Körper für uns ist, deren Triebe wir nur mühsam bändigen und deren Bedürfnisse wir nicht abtöten können, nur entfliehen können, wenn wir Technik verwenden, die wir in langer, mühsamer Arbeit mit viel Erfindergeist entwickeln müssen. Das ist Daedalos. Während dieser langen mühsamen Produktion von Technik, den Flügeln, die uns aus dem Gefängnis der Naturzwänge heraustragen sollen, werden wir zu alt und zu gebrechlich, um sie verwenden zu können.

Wir geben die Technik unseren Nachkommen weiter, zusammen mit den guten Ratschlägen, die wir in der langen Gefangenschaft durch unsere Triebe und während der Arbeit erdacht haben, denn wir kennen unsere selbst entwickelten Techniken gut und besser als die jeweils nächste Generation, weil wir sie entwickelt haben.

Aber die Crux ist: Ikaros als Vertreter der Nachkommen, welche die Technik von der älteren Generation geschenkt bekommen, um der Natur ein Stück weiter zu entfliehen, als es den Älteren mit ihren von Arbeit gebeugten Rücken möglich wäre, lässt sich von der Freiheit und der Macht und den neuen Möglichkeiten übermannen, überschätzt die Technik, verwendet sie falsch, stirbt daher und die Technik wird wieder vernichtet.

Dies ist noch kein automatisch generierter Blogtext. Ihr könnt ihn deshalb vielleicht besser verstehen, als eure Nachkommen. Übersetzt ihn weiter!

Revolution: Neue Metapher entdeckt

Wer sich wundert, warum es Angela Merkel nicht hinkriegt, unsere Probleme zu lösen, und stattdessen lieber mit dem kasachischen Diktator Nursutlan Nasarbajew über Öl-Importe aus Kasachstan verhandelt, wird mit Gewinn diesen Text lesen, denn ich habe nach Jahren reiflicher Überlegung, bei der nur reichlich Rubbish rausgekommen ist, endlich die Metapher produziert, die das erklärt.

Und zwar, ich muss etwas ausholen, habe ich ja mit 14 das kommunistische Manifest von Karl Marx gelesen. Danach hatte ich eine grobe marxistische Idee von den Triebkräften, die die Geschichte durch Revolutionen vorwärtsbringen. Diese grobe Idee war die Folgende: Allem zugrunde liegt der Kampf zwischen denen, die Macht und Geld haben, und denen, die keins von beidem haben.

Ich bin aber nicht dumm und habe selbst gemerkt, dass das ein etwas zu schlichtes Konzept ist. Deshalb habe ich studiert und an der Uni die Feinheiten von Marx Theorie kennengelernt.

Dies sind vor allem folgende drei:

1. Revolutionen entstehen, wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht mehr mit den wirtschaftlichen Kräften schritthalten. Zum Beispiel, wenn die Leute mit Macht nicht mehr dieselben sind, wie die Leute mit Geld. So war das jedenfalls zu Marx Lebzeiten, als die Adeligen die Macht, aber die bürgerlichen Unternehmer das Geld hatten.

2. Das Problem an der Sache ist bloß: Zu der Zeit, in der dieser Widerspruch zwischen politischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Kräften auftritt, nehmen die Leute, die davon betroffen sind, das nicht wahr. Deshalb klammerte sich der Adel an die Macht im monarchistischen Staat und die bürgerlichen Unternehmer auch. Der Kaiser war dann überfordert, weil hier zwei Gruppen von ihm ganz Unterschiedliches wollten, was er nicht beides zugleich machen konnte, und fing den 1. Weltkrieg an. Es starben 17 000 000 Menschen, Deutschland verlor und die Leute in Deutschland machten eine Revolution und schafften die Monarchie ab.

Den Grund, warum Leute zu der Zeit, in der sie leben, nicht wahrnehmen, was schiefläuft und warum es nicht funktioniert, hat Marx „Ideologie“ genannt. Seiner Meinung nach denken Leute ideologisch, weil die Gesellschaft sie zwingt, nur das wahrzunehmen, was die bestehenden Strukturen der Gesellschaft nicht gefährdet, wenn es wahrgenommen wird, und alles andere auszublenden.

Das „Ausblenden“ ist jetzt aber noch nicht die Metapher, die ich erfunden habe. Ich war irgendwie unzufrieden mit der Theorie von Marx, weil mir nicht ganz klar war, wieso ausgerechnet die Leute, die das nachgeplappert haben und sich selbst „Marxisten“ nannten, den Durchblick durch die ganze Ideologie haben sollten. Wenn die Theorie von Marx stimmt, könnten sie ja selbst, wie alle anderen auch, die Gesellschaft nicht so wahrnehmen, wie sie wirklich ist.

Jetzt wurde die DDR ab 1948 nach der Theorie von Marx geleitet, aber die Leute haben die marxistische DDR-Leitung 1989 nach Hause geschickt. Offensichtlich haben also Erich Honecker und Egon Krenz, obwohl sie Marx Theorie kannten, entweder ihre Gesellschaft falsch eingeschätzt, oder sie wollten selbst nicht mehr an der Macht bleiben. Die einen in der Leitung wahrscheinlich so, die anderen so. Vielleicht hat also Marx doch recht, und auch die Marxisten können die Gesellschaft nicht wahrnehmen, wie sie wirklich ist, weil ihre Ideologie ihnen im Wege steht, besonders dann, wenn sie die Macht haben. Das haben die Marxisten im Bezug auf die bürgerlichen Unternehmer auch schon so gesehen: Diese hätten zwar die Macht, aber sie hätten keine Ahnung, wie die Gesellschaft funktioniert, weil sie selbst der Ideologie aufgesessen seien, die ihre Macht sichert.

Falls Du Dich wunderst, warum die Marxisten nicht mit Marx übereinstimmen: Marx hat selbst gesagt « Moi, je ne suis pas marxiste» „Ich bin kein Marxist.“(https://fr.wikipedia.org/wiki/Marxisme, letzter Zugriff 2.3.2012), ) Damit hatte er Recht.

Soweit, so gut. Bleibt immer noch die Frage: Warum macht Angela Merkel Geschäfte mit dem kasachischen autoritären Präsidenten, anstatt die Solarenergie zu fördern, obwohl Marx schon vor über 150 Jahren in einem Buch, was Merkel sicher in der DDR in der Schule lesen musste, erklärt hat, dass die wirtschaftlichen Kräfte, wenn sie in Konflikt mit den politischen Rahmenbedingungen kommen, diese in einer Revolution sprengen? Zum Beispiel streicht die CDU die Förderung für die neue wirtschaftliche Kraft (Solarindustrie) und verhandelt lieber mit autoritären, undemokratisch regierenden Präsidenten, um die alte wirtschaftliche Kraft (Ölindustrie) zu schützen. Will Merkel die Revolution? Wahrscheinlich nicht, denn sie ist ja an der Macht und will das, im Gegensatz zu Köhler und Koch, wohl auch bleiben. Warum riskiert sie dann, dass die neuen wirtschaftlichen Kräfte die alten politischen Rahmenbedingungen sprengen? Jetzt kommt gleich meine neue Metapher.

3. Die wirtschaftlichen Kräfte hat Marx „Basis“ genannt, die politischen Rahmenbedingungen „Überbau“. Dazu gehören auch alle Formen, in denen Menschen „Ideologie“, verzerrte Wahrnehmung, beigebracht wird: Schule, Fernsehen, Militär, Zeitungen, Blogs… Moment! Wie will ich denn eigentlich dem geneigten Leser weismachen, was ich jetzt schreibe, sei keine Ideologie, wenn doch mein Blog auch zum Überbau gehört?

Na ja, die Metapher ist trotzdem gut. Sie geht nämlich so: Die Basis (die wirtschaftlichen Kräfte) ist die Hardware des Gesellschaftssystems, der Überbau ist das Betriebssystem und die Ideologien sind die Software. Da gibt es Programme, die heißen „ökologisch“ (steuern den Umweltschutz) oder „liberal“ (steuern den Freiheitsschutz) oder „konservativ“ (steuern den Traditionsschutz) oder „sozialistisch“ (steuern den Sozialschutz). Der Überbau, das Betriebssystem, ist in der BRD, Frankreich und den USA „Demokratie“, in Kasachstan „Autoritarismus“ und im Kongo gibt es keins. Deshalb werden da viele Leute gefoltert, weil die USA Schrottprogramme von Ideologien dahin exportieren, die sie selbst nicht zu Hause laufen lassen wollen, weil die mit dem demokratischen Betriebssystem inkompatibel sind: Evangelikale schneiden deshalb im Kongo Kindern, die anders sind als die anderen Kinder, Fleischstücke raus, weil sie glauben, da würden Dämonen drin wohnen.

Rechtgläubig marxistisch lässt sich Merkels Verhalten darauf aufbauend so erklären: Der Überbau, also das Betriebssystem unseres Gesellschaftssystems, hinkt der Basis, also der wirtschaftlichen Hardware, immer etwas hinterher. Die Demokratie wäre in diesem rechtgläubig marxistischen Bild das passende Betriebssystem für eine Basis, die noch auf fossilen Brennstoffen läuft, und die Solarenergie würde das Betriebssystem sprengen.

Jetzt bin ich aber nicht rechtgläubig marxistisch, und deshalb passt mir diese Erklärung nicht. Ich glaube nämlich, dass das Betriebssystem Demokratie auf fast jeder modernen wirtschaftlichen Basis als Hardware läuft. Ob mein und Dein Computer mit Fossil- oder Solarenergie läuft, das ist für mich als Internetblogger mit politischer Botschaft egal. Dasselbe gilt auch für die Beleuchtung im Bundestag. Jedenfalls solange, wie uns die Klimakatastrophe nicht den Stecker zieht.

Aber meine Metapher hat zusätzlichen einen Vorteil gegenüber den rechtgläubig marxistischen Erklärungen: Es gab nämlich einen Wissenschaftler, Max Weber, der im Gegensatz zu Marx meinte, nicht nur die Basis könne den Überbau zwingen, sich zu verändern, sondern der Überbau könne auch die Basis verändern. Also metaphorisch gesprochen: Nicht nur die Hardware verändere die Software, sondern die Software verändere auch die Hardware. Und genau das ist ja dann den DDR-Marxisten passiert: Wirtschaftlich, an der Basis oder in der Hardware, änderte sich wenig. Man muss nur mal die Trabimodelle von 1965 mit denen von 1985 vergleichen und schauen, wie viele Neuerungen eingebaut wurden, und sich dann noch die Skyline von Bitterfeld in den 80ern vorstellen, dann weiß man, dass die DDR-Hardware total veraltet war. Trotzdem haben die Leute eine Revolution gemacht und die marxistischen alten Knacker nach Hause geschickt. Logischerweise waren die total überrascht, weil das nach ihrer Theorie gar nicht hätte passieren dürfen.

Und jetzt kommt Weber ins Spiel: Die Leute hatten nämlich in der DDR zwar einen ziemlich miesen Überbau, mit Stasi und Überwachung, der sie zu zwingen versuchte, die Ideologie des Sozialismus anzunehmen. Aber so ganz hat das nicht geklappt, weil die Leute heimlich Westfernsehen gekuckt haben, sich Rolling-Stones-Platten auf dem Schwarzmarkt gekauft haben, in Bruchbuden auf dem Prenzlauer Berg ihre eigene Kunst gemacht haben, in die Kirche gegangen sind und außerdem Udo Lindenberg in die DDR gefahren ist, um im Sinne der Völkerverständigung Konzerte zu geben. Das Problem war, das war den DDR-Leitern klar, dass sich die Software, also die Ideologie und der Überbau, weltweit vernetzte, und deshalb das Betriebssystem nicht mehr so richtig lief. Vieles von dem Datentausch der Ideologien lief über Farbfernseher aus Japan. Die gab es in der DDR auch deshalb, weil die sozialistische DDR-Leitung selber gerne Farbfernsehen kuckte, weshalb sie mit Japan einen Deal machte. Ich wünschte, Erich Mielke und die anderen Diktatoren der DDR hätten lieber mal öfter einen bunten Abend im DDR-Fernsehen angeschaut, statt Punks in den Knast zu stecken und Leute an der Grenze erschießen zu lassen, die einfach nur weg wollten. Dann hat Mielke im Fernsehen noch behauptet: „Ich liebe euch doch alle.“ Er hat Glück gehabt, dass sie ihn nicht erschossen haben wie Ceauscescu in Rumänien.

Die Leute nutzten also einfach illegal Ideologien, Programme, die mit der sozialistischen Staatssoftware inkompatibel waren. Ich stelle mir das so ähnlich vor, wie wenn ich auf meinem Mac ein Linux-Programm installiere, das Programm mir aber wegen Inkompatibilität dauernd abschmiert und ich mich dann irgendwann entscheiden muss: Will ich das Linuxprogramm weiter benutzen oder das Mac-Betriebssystem? Da den Leuten der beschränkte Horizont des sozialistischen Betriebssystems auf den Sack ging und sie nach dem dritten Ungarn-Urlaub die Schnauze voll hatten und auch mal woanders hinfahren wollten, haben sie sich für die Westsoftware entschieden und das Betriebssystem neu installiert.

So, und jetzt erkläre ich mit meiner Metapher mal das Problem mit Merkel. Merkel hat ja bei der Neuinstallation, also der Demokratisierung Ostdeutschlands, selbst mitgemacht. Sie hat aber auch mitansehen müssen, wie die Westmächtigen die Hardware der ehemaligen DDR billig an bürgerliche Unternehmer verrammschten, nachdem „Sozialisten“ von der RAF aus dem Westen den Sozialdemokraten Detlev Karsten Rohwedder erschossen haben. Das passte jetzt auch den Gegnern dieser „Roten Armee Fraktion“ gut in den Kram, den bürgerlichen Unternehmern, weil der Rohwedder vorher mit seiner Treuhand die Verrammschungsaktion nicht hatte mitmachen wollen. Die hat dann Birgit Breuel von den „Konservativen“gemacht. Besonders viel konserviert hat sie in ihrer Funktion als Treuhand-Gesellschafts-Chefin aber nicht, viele DDR-Produktionsbetriebe wurden von ihrer eigenen Westkonkurrenz aufgekauft und die hat sie meistens lieber dichtgemacht. Die Käufe waren aber vorher von Westdeutschland staatlich subventioniert worden. So hat die CDU massenweise Staatseigentum auf Kosten der Steuerzahler reichen Privatleuten geschenkt. Breuel hat so aus der Treuhand-Gesellschaft eine Veruntreuhand-Gesellschaft gemacht.

Die DDR-Bürger_innen mussten dann leidvoll erfahren, dass ihnen ein neues Betriebssystem überhaupt nicht so viel bringt, wie die West-Ideologien ihnen weisgemacht hatten, wenn ihnen die Hardware (die Industriebetriebe und Häuser) nicht mehr gehört, auf dem sie das Ding mühsam installiert haben. Denn es ist immer noch so, wie Marx dachte: Was nützt die schönste Ideologie, wenn man keine wirtschaftliche Basis hat, um sie ausleben zu können. Das vergessen die Liberalen wie der Weber immer, weil die in der Regel aus Elternhäusern stammen, die sich Freiheit auch leisten können. Aber wenn Du arm und arbeitslos in einer Berliner Plattenbausiedlung hockst, dann macht es Dich halt wütend, dass der Außenminister mit seinen Unternehmerfreunden im Staatspalais Parties feiert und auch noch schwul ist, weil Du Dir weder die Parties noch das Schwulsein leisten kannst, weil Du als Schwuler in Berlin beim Handwerksbetrieb um die Ecke nach nem Job gar nicht erst zu fragen brauchst.

Jetzt habe ich aber immer noch die Sache mit Merkel, der Solarenergie und den fossilen Brennstoffen nicht erklärt. Ich glaube, am weitesten komme ich da mit einem linksgläubigen Marxismus. Im Unterschied zum rechtgläubigen Marxisten glaube ich nicht, dass die neue Basis von Internetfirmen, Solarenergie und Hybridantrieben irgendwann zu einer Revolution führt. Die Basis-Entwicklung ist nämlich entgegen allem Anschein in den letzten Jahren wesentlich langsamer als die Überbau-Entwicklung. Wissenschaftlich wissen wir schon jetzt sicher, dass wir mit dem fossilen System nicht mehr länger als 60 Jahre klarkommen, weil dann die Rohstoffe aufgebraucht sind und die Umweltverschmutzung zu verheerend wird. Trotzdem stellt sich die Wirtschaft viel zu langsam auf das neue, regenerative System um.

Ich glaube ja, dass Angela Merkel unbewußt noch an ihren schrecklichen DDR-Lehrer zurückdenkt, der ihr prophezeit hat, es gibt eine Revolution, wenn die Produktivkräfte sich zu schnell entwickeln, und sie will halt keine mehr mitmachen, weil ihre letzte schon so verdammt viel Arbeit und so ein Kampf war. Kann ich auch verstehen. Also hemmt sie die Produktivkraftentwicklung und kürzt der Solarenergie ihre Mittel.

Ich finde aber, wir sollten den DDR-Lehrer mal DDR-Lehrer sein lassen, uns locker machen und uns sagen: Unser Betriebssystem ist so gut, dass es auch auf neuer und besserer Hardware problemlos laufen wird. Die Demokratie kann sich das 2-Liter-Auto und 100%ige regenerative Energieversorgung erlauben, ohne dass wir Angst haben müssen, dass sie abgeschafft wird. Angst haben müssen bloß diejenigen, die im Moment noch das Geld, aber nicht mehr so richtig die Macht haben: Die Bankmanager, Industriekonzernbesitzer, Börsenmakler und Aktionäre. Ihre Ideologie ist nämlich hoffnungslos veraltet, und sie läuft auf der neuen Hardware dann auch wahrscheinlich nicht mehr. Eigentlich läuft sie schon unter unserem demokratischen Betriebssystem nicht mehr richtig gut.

Die Arroganz eines Nachgeborenen

Ein Kommentar zur Rezension: Bisky, Jens: „Du bist ein Mensch, beweise es“. In: SZ Nr. 59, 10./11.März 2012. S. 19.

Der Feuilletonist Jens Bisky hat in der Süddeutschen Zeitung eine Neuausgabe von Bruno Apitz „Nackt unter Wölfen“ rezensiert, des Romans, in dem Apitz von seinen Erfahrungen als Gefangener im KZ Buchenwald und dem Widerstand der Kommunisten gegen SS-Wärter und andere Kriminelle, die als Wärter eingesetzt wurden, berichtet.

Bisky wirft Apitz vor, der Autor neige zu Pathos. Nun heißt ja Pathos wörtlich übersetzt Leiden. Wenn es einen Grund gibt, pathetisch zu schreiben, dann die Tatsache, wegen Widerstands gegen die Nazis in ein Konzentrationslager gesperrt, dort gefoltert und entwürdigt zu werden und sich und andere nicht oder nur sehr begrenzt gegen die Gewalt der Nazis schützen zu können. Bisky gehört zu den intellektuellen Deutschen, denen es anscheinend so an Imaginationskraft mangelt, dass sie ihre ästhetischen Urteile überhaupt nicht mehr mit Sensibilität formulieren können.

Schattierungen, Konflikte und Widersprüche im Handeln des Widerstands dürfen nicht verschwiegen werden. Dass zum Beispiel Stefan J. Zweig durch die Kommunisten nur gerettet werden konnte, indem sie einen jungen Roma in den Tod schickten, ist aber Effekt der ekelhaften Mordmaschinerie der Nazis und kann nicht dem Widerstand gegen sie vorgeworfen werden. (Vgl. http://wilfriedscharf.de/2012/02/25/einigung-uber-das-kind-von-buchenwald/) Ich will eine realistische Darstellung der Taten der Kommunisten in Buchenwald. Das lässt sich aber aus der historischen Distanz von 60 Jahren, ohne die mörderischen Zustände im KZ selbst erlebt zu haben, leicht und wohlfeil fordern. Apitz hat sein Buch sehr bald nach der Befreiung des Kzs durch einen kommunistisch organisierten Aufstand veröffentlicht, dessen Darstellung in Apitz Roman Bisky in versuchter ironisierender Übersteigerung als „antifaschistisches Happy End“ bezeichnet, um gleich anzuschließen, Apitz Buch sei von der KZ-Überlebenden und Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger, als „Kitschroman“, als „der Inbegriff von KZ-Sentimentalität“ bezeichnet worden.1 Bisky enthält sich vornehm einer Wertung dieser Wertung, man kann nur schließen, dass er zustimmt. Sentimental nenne ich einen Menschen, dessen Geist von Gefühlen überwältigt ist. Wäre ich Apitz, und ich hätte gerade Jahre des Leidens durch einen selbst organisierten Aufstand beendet, und ich dächte später an diesen Aufstand zurück, ich wäre sentimental, bis mein Geist von Gefühlen ganz getränkt wäre.

Ein gänzlich unsentimentales Buch, in dem der Autor ebenfalls von seinen Erfahrungen im KZ Buchenwald berichtet, ist Imre Kertész „Roman eines Schicksalslosen“. Der Autor verwendet eine andere ästhetische Strategie, als es Apitz tut: Die Ich-Figur berichtet sachlich, völlig verzichtend auf Emotionalisierungen, von den schrecklichen Dingen, die ihr passieren. Gerade dadurch musste ich lesend in Tränen ausbrechen: Mit unbarmherziger narratologischer Kälte und Teilnahmslosigkeit zeigte mir Kertesz, dass die SS-Schergen durch ihre Gewalt und ihren Terror die Gefühle dieses Ich-Erzählers abtöten und damit versuchen wahrzumachen, was Teil der rassistischen und faschistischen Ideologie war: Dass die Menschen, die sie in KZs gesperrt haben, keine Menschen seien.

Zu Walter Krämer, der in Apitz Roman einer der kommunistischen Helden ist, fehlt in Biskys Artikel unter anderem folgende Information: „Er eignete sich medizinische Kenntnisse im Selbststudium an, organisierte die Krankenversorgung und führte auch selbst Operationen durch, um zum Beispiel durch Misshandlungen der SS verletzten oder von erfrorenen Gliedmaßen betroffenen Mithäftlingen das Leben zu retten.“2

Wer ein Held war, wie Walter Krämer, der es geschafft hat, wenigstens etwas Menschlichkeit im KZ zu bewahren, obwohl er und alle um ihn herum entmenschlicht werden sollten, der verdient es auch, als Held dargestellt zu werden, und wenn Autoren wie Bisky aus ihren bequemen Lehnsesseln in den 2010er Jahren heraus sich über das „Pathos“ und die „Sentimentalität“ von Apitz erheben wollen, dann sollen sie lieber nochmal nachdenken und Kant lesen, der Vorstellungskraft als Vorbedingung von Vernunft begriffen hat, anstatt pseudointellektuelle ästhetizistische Phrasen zu dreschen und sie als Literaturkritik zu tarnen.

Nach den KZs wird die Vernunftkonzeption der Moderne brüchig. Die Frage Kants „Was ist der Mensch?“ muss deshalb neu beantwortet werden. Ich kann mir nun meine eigene Antwort geben nach dem, was ich in den Romanen gelesen habe: Der Mensch ist ein Wesen, das sich selbst seine Würde nehmen kann, indem es versucht, anderen ihre Würde zu nehmen, wie es die Nazis getan haben. Und der Mensch ist ein Wesen, das um seine Würde kämpfen kann, wie es Apitz getan hat. Und manche Menschen sind bereit, ihre Ermordung zu riskieren, wenn sie ihre Würde und das Leben ihrer Mitmenschen nur dadurch bewahren können. Diese Menschen sind Helden. Walter Krämer gehörte dazu. Er hat dafür mit seinem Leben bezahlt.

Ich bin froh, dass die Gewalt gegen Kommunisten heute und in diesem Land sich nicht durch Schüsse und Giftspritzen verkörpert.

Biskys intellektuelle Kaltherzigkeit aber ist eine perfide Form der Gewalt, die inakzeptabel ist, weil sie nur einen Grund hat: Einen antikommunistischen Reflex. Wer keinen Respekt vor einer Ideologie hat, die zum Beispiel für Walter Krämer und Bruno Apitz ein Grund war, sich gegen Entwürdigung und Terror der Nazis zur Wehr zu setzen, der soll sich, bevor er das in die Öffentlichkeit trägt, zuerst nocheinmal die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes durchlesen. Das Grundrecht, für seine politische Überzeugung nicht verfolgt zu werden, erstreckt sich auch auf kommunistische Überzeugungen.

Zur Nachgeschichte des Nazi-Vernichtungsterrors gehört aber auch, dass stalinistische Kommunisten Raoul Wallenberg nach dem Einmarsch der Roten Armee deportierten. Wallenberg hatte als schwedischer Diplomat in Budapest 1944/45 viele ungarische Juden vor der Ermordung geschützt, in der Stadt, in der auch György Konrád knapp überlebte. Die stalinistischen Mörderbanden haben den Helden Wallenberg ermordet, bloß weil sie glaubten, der Diplomat aus einer Bankiersfamilie sei ein westlicher Agent. (Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Raoul_Wallenberg, letzter Zugang: 10.3.2012) Diese Form des Kommunismus schützt die politische Freiheit des Grundgesetzes nicht.

Solange wir uns an Raoul Wallenberg und an Walter Krämer erinnern, werden wir Demokraten bleiben.

1Zitiert nach: Bisky, Jens: „Du bist ein Mensch, beweise es“. In: SZ Nr. 59, 10./11.März 2012. S. 19.

2http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Krämer_(Politiker) Letzter Zugang: 10.3.2012

Yella oder die Angst vor der Freiheit

Ich habe lange über Christian Petzolds Film „Yella“ gegrübelt: Warum ist Yellas Traum vom unabhängigen Leben im Westen im Film ein Traum, aus dem sie nur aufwacht, um in den Tod gerissen zu werden? Warum schickt uns Petzold durch eine lange Binnenhandlung, die sich hinterher bloß als Traum vom neuen Leben zeigt, das neue Leben aber beginnt gar nicht erst, sondern endet mit dem Aufwachen?

Heute habe ich den Film verstanden: Yellas Traum, in dem sie von skrupellosen Männern ausgenutzt wird, ist die Verkörperung ihrer Angst vor der Freiheit: Nicht zu wissen, ob man den Leuten vertrauen kann, denen man vertrauen muss, um zu überleben, nicht zu wissen, ob man die Probleme lösen kann, die man lösen muss, nicht zu wissen, ob es richtig ist, was man tut: Das ist das Schreckliche an der Freiheit.

Petzold lässt Yella willenlos in den Tod stürzen, und er zeigt mir damit, wohin mich die Angst vor der Freiheit führt, wenn ich sie stark werden lasse: In den Untergang.