Hambi bleibt!

Am Samstag war ich einer von 50000 Leuten, die keine Lust auf Braunkohlebagger, aber Lust auf schönen Wald hatten.  Das Wetter war grandios, strahlender Sonnenschein und echt warm, das einzig Irritierende daran war, dass das Wetter nicht so richtig in den Oktober passte, es fühlte sich eher an wie Juli. Sollte es da einen Zusammenhang mit den CO2-Massen geben, die die vom Hambacher Forst aus am Horizont  sichtbaren Braunkohlekraftwerke in die Atmosphäre blasen? Nein, das ist natürlich die typische Panikmache von Ökofanatikern.

Es staubte dann und wann prächtig, wenn der Wind in die total ausgetrockneten Felder fuhr.  Es waren einige Bauern aus der Gegend mit ihren Traktoren zur Demo gekommen, die irgendetwas gegen die Klimaerwärmung zu haben scheinen, vielleicht, weil irgendein Problem für die Pflanzen bei Trockenheit entsteht. Was für Sensibelchen! Lasst die größte Landschaftsvernichtungsmaschine Westeuropas ruhig weiterlaufen, das mit der Dürre gibt sich schon.

Die Kundgebung war schön,  es kamen immer mehr Menschen und noch mehr Menschen über die Feldwege von mehreren Seiten auf den Platz. Wir haben an die inhaftierten Aktivist*innen gedacht, und alle haben sich über das Gerichtsurteil über den Rodungsstop gefreut.

(Die hier abgebildeten Aussagen geben nicht unbedingt die Meinung des Autors wieder. Ich wende mich zum Beispiel klar gegen den Einsatz von Laserschwertern zu politischen Zwecken, allein schon wegen des Energieverbrauchs. May the Forst be with you! )

Die Polizei hat nur da gestanden ohne Helme und Kontrollen, als sich irgendwann hunderte von Menschen auf den Weg in den Wald gemacht haben. Ein Polizist hat im Wald sogar „Hambi-bleibt“ mitgerufen.  Er hat dabei allerdings sehr belustigt ausgesehen, ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Der Hambi ist wunderschön, alte Buchen und Eichen stehen dort, mehrere hundert Jahre alt.  Die Menschen, die die Baumhausdörfer noch kannten, waren traurig und haben von den Räumungen erzählt.

RWE hat richtig gewütet und es waren große Plätze gerodet worden und Trassen in den Wald geschlagen, wahrscheinlich, um mit den Räumungsgeräten durchzukommen.

Bei der Stelle, wo Steffen abgestürzt und gestorben ist in Beechtown, war ich auch. Da waren alle sehr still und es standen viele Kerzen dort und ein Bild von Steffen erinnerte an ihn.

Und dann stand ich vor der Grube, das ist unfassbar: Ich musste nur die Augen aufmachen und wusste, was gut und was böse ist. Wann hast du das schon mal, dass das so eindeutig ist? Die Grube ist ein riesiger Krater, eine Wüstenlandschaft aus Sand und Steinen, in der sich gespenstisch die riesigen Bagger abzeichnen, super tief und bis zum Horizont lebt da nichts mehr, eine Wunde in der Erde.  Und dann schaust Du nach links  und siehst den Waldrand vom Hambi, da stehen die alten Bäume und Du denkst an Lorien und denkst nur:  Das gilt es zu verteidigen.

Und dann sind wir wieder gegangen und ich habe irgendwie viel mehr Kraft gehabt als vorher, die Kraft kam von den Liedern, die wir im Wald gesungen haben – „power to the people – the people have the power – getting stronger every hour“- und aus den vielen lächelnden Gesichtern der Menschen, die still im Wald waren, und aus dem Wald selbst und aus den Kinderstimmen, die „Hambi Hambi Hambi – bleibt-bleibt-bleibt“ gerufen haben.

Ich hoffe nur, die Bechsteinfledermäuse waren von den vielen Menschen nicht zu geschockt, die da durch ihren Wald gelatscht sind, denn diesen geflügelten Gefährt*innen haben wir zu einem Gutteil das Gerichtsurteil mit dem Rodungsstop zu verdanken.  Wie fühlt es sich wohl an, eine Fledermaus zu sein, unter deren Wohnung hunderte völlig entrückte Ökos wie ich  langspazieren?  Ich werde es nie wissen.  Hambi bleibt! Und die Rätsel auch.