Identitäre Bewegung

für Oskar Maria Graf

Text, Musik, Cello, Geige, Gesang und leider auch Gitarre: Arne Erdmann 2024 (Gnu Public Licence)

Refrain

Ich weiß nicht, was ich bin,

und wohin ich gehöre

wo ich auch bin, ich hoff,

dass ich nicht zu sehr störe

Strophe

Vielleicht wärs gut, wenn ich

ne schöne Frau betöre,

denn ich wär nicht allein,

solang ich ihr gehöre

Bridge

Das muss doch anders gehen,

ich liebe sie doch alle

ich habe zig Affären

das Bett wird mir zur Falle

Refrain

Wenn ich jetzt dem Professor

besonders gut zuhöre

könnts sein, dass ich mich

im Denken nicht verlöre

Das muss doch anders gehen

so dass ich das hier schnalle

ich les 300 Bücher

widersprechen tun sich alle

Ref.

Es kommt soweit, dass ich

auf eine Fahne schwöre

ein schiefes Stimmchen mehr

im Reigen großer Chöre

Das muss doch anders gehen

wir lesen nach bei Kalle

das Proletariat

trinkt Sangria auf Malle

Ref.

Identität im Shop

ein Met nur 50 Öre

mein Drachenboot, ein Benz

rammt leider eine Föhre

Ich muss dann wohl mal gehn

wo gehts hier nach Walhalle

am Himmelstor steht Petrus

den wundert, was ich lalle

Ich wusst nicht, was ich war

und wohin ich gehörte

zeitlebs ich mich erfahr

bis ich dann aufhöre

Postpatriarchale Trickkiste, Trick Nr. 4: Durchschaue rationale Aggression

Nicht jedes aggressive Verhalten ist durch Wut motiviert. Menschen greifen andere oft auch aus ganz rationalen Kosten-Nutzen-Berechnungen heraus an: Was gewinne ich, was verliere ich, wenn ich meine Mitmenschen aggressiv behandle? Kalkulieren wir mehr Nutzen, werden wir aggressiv, ohne das wir wirklich wütend auf die andere Person sind. Von außen kann das sogar wie Wut aussehen, das liegt aber oft nur daran, dass ich als aggressive Person weiß, dass Emotionen als verständliche Motive meiner Verhaltensweise gelten und kalter Egoismus nicht, und ich mich deshalb wütend gebärde, weil das sozial eher akzeptiert wird als rationale Berechnung. Deshalb entsteht auch keine echte Freude, wenn ich mit der Aggression erfolgreich bin, ich registriere einfach nur den Gewinn und mein Lachen fühlt sich hohl und unecht an.

Eine andere Form rationaler Aggression ist scheinbar neutrales und objektives Analysieren der Situation und der anderen Person, wenn diese wütend auf mich ist. Ich habe in einer früheren Liebesbeziehung, in der es zum Schluss dauernd Konflikte und heftig eskalierenden Streit gab, manchmal dieses Verhalten gewählt: Die Kommunikation rational analysiert, das zuvor Gesagte nochmal wörtlich zitiert, auf Vereinbarungen verwiesen, biographische Bezüge zur Interpretation von Verhalten herangezogen – und mir kam mein Verhalten dabei sehr konstruktiv und auf meine Partnerin bezogen vor. Heute denke ich, dass mein Verhalten eher rationale Aggression war. Der Angriff bestand nur darin, mit den Mitteln analytischen Denkens die Situation und die andere Person unter Kontrolle zu bekommen, statt mich emotional auf meine Partnerin einzulassen, mitzufühlen oder mit einem anderen Gefühl auf ihre Wut zu reagieren, und mich so selbst verletzlich zu machen, selbst angesichts ihrer Wut. Verstehen ist nicht immer Mitfühlen, nicht mal unbedingt immer überhaupt mit Fühlen verbunden. Manchmal ist Wut deshalb in Beziehungen eine bessere Resonanz auf die Wut meines Gegenübers als Verstehen, weil sie wenigstens eine emotionale Reaktion ist und keine distanziert-berechnende.

Auch diese Form von Aggression wurzelt in patriarchalen Strukturen, sie setzt in verwandelter Form die Rolle des Patriarchen als Repräsentant der Vernunft und des Denkens fort, der zwischen Konfliktparteien vermittelt, die Situation klärt und aufklärt und erhaben über den anderen steht, neutral das Wohl aller verwaltend.

Heute ist mir klar, warum meine Partnerin noch viel wütender wurde, wenn ich im Streit angefangen habe, alles zu analysieren. Ich vermute sogar, dass kalte, berechnende Aggression gesellschaftich das größere Problem ist als durch Wut motivierte Aggression, weil die damit verbundene Gleichgültigkeit und Unfähigkeit zu fühlen alle wirkliche Beziehung zwischen Menschen zerstört, ohne dass wir das überhaupt merken. Am Ende sind wir einsam und entfremdet voneinander und funktionieren nur noch vor uns hin wie Maschinen, und unsere heimliche Verzweiflung sucht sich seltsame Ventile wie Konsum oder Macht und Status, mit denen wir die fehlenden Beziehungen zu ersetzen oder Signale zu senden versuchen, um doch noch Nähe und Liebe zu erfahren.

Rationale Aggression ist meiner Wahrnehmung nach strukturell in den Institutionen patriarchal geprägter Gesellschaften sedimentiert, setzt sich also systemisch fort, egal, wer in diesen Institutionen Rollen einnimmt, welches Geschlecht die Personen haben oder welcher Generation sie angehören. Das gilt für Staat, Kirche, Marktwirtschaft und auch Wissenschaft.

Ich fürchte, das zum jetzigen Zeitpunkt kaum ein Leben in unserer Gesellschaft möglich ist ohne ein Mindestmaß an rationaler Aggression in ihren Formen nüchterner Berechnung und Analyse, die wir selbst dazu brauchen, die institutionellen Traditionen kritisch zu reflektieren und zu transformieren, weil wir ohne sie einem übermächtigen Gegner gegenüberstünden. Aber es ist mein Ziel, mich nicht dermaßen automatisieren zu lassen, und in meinen Beziehungen das analytische Denken zur Verfeinerung meines Mitgefühls für die anderen zu nutzen statt dazu, die Kontrolle über sie zu erlangen.

Postpatriarchale Trickkiste, Trick Nr. 3: Erkenne und wertschätze den gerechten Anteil Deiner Wut

Nicht alles an meiner Wut ist falsch und patriarchal. Wut ist auch eine für die Selbstverteidigung notwendige Emotion. Wenn ich alle patriarchalen und projektiven Anteile meiner Wut identifiziert und reguliert habe, bleibt oft ein Anteil sinnvoller, der gegenwärtigen Situation angemessener Anteil übrig.

Dieser Anteil kann zum Beispiel die Wut darüber sein, dass meine Partnerin schlimme Erfahrungen, die sie mit anderen Männern* gemacht hat, auf mich projiziert und mich bekämpft statt diese Männer*. Feministen wie ich bekommen diese Wut wahrscheinlich überdurchschnittlich oft ab, weil wir oft in Beziehung mit feministischen Partnerinnen* leben, die ihre Wut auf das Patriarchat und maskulinistische Männer* nicht unterdrücken und sehr bewusst wahrnehmen, was sie erlitten haben und erleiden. Oft sind aber die Verursacher ihrer Schmerzen außer Reichweite. Feministinnen* haben aus guten Gründen keinen Kontakt mehr zu diesen Männern* oder sie sind aus anderen Gründen unangreifbar, vor allem ihre Väter, in deren Beziehungsgeflecht sie verstrickt sind.

Deshalb landet die gerechte Wut meiner Partnerin auf diese Männer* dann bei mir und in unserer Beziehung, und ich muss damit umgehen. Eine mögliche Weise ist, meine gerechte Wut zu zeigen, also ebenfalls wütend auf projektives wütendes Verhalten meiner Partnerin zu reagieren. Es ist keine sinnvolle Reaktion, als Feminist die Schuld patriarchal agierender Männer* stellvertretend auf sich zu nehmen und sich klein zu machen. Die Gruppe der Männer* würde sich auf Dauer dann nämlich aus zwei Teilgruppen zusammensetzen, patriarchalen, gewalttätigen, maskulinistischen Männern*, die Frauen* verletzen, und feministischen, aber unterworfenen, hilflosen und von Schuldgefühlen beherrschten Männern*. Das ist keine Option für eine feministische Befreiung der Gesellschaft und wird das Problem nicht lösen.

Damit ich meiner Partnerin gegenüber meine gerechte Wut ausdrücken kann, ohne die Beziehung zu schädigen und meiner Partnerin wehzutun, muss ich vorher aber sorgfältig und gründlich Trick 1 und 2 anwenden und mir die Anteile meiner Wut bewusst machen, die nicht gerecht, sondern patriarchal sind, und diese Anteile regulieren, statt sie auszuagieren. Oft bleibt dann eine sehr gemäßigte Wut übrig, die ein Gespräch miteinander ermöglicht.

Kleine Reflexion zu Kafkas Messias

Die Welt der Gegenwart erscheint mir in einem seltsamen Zwielicht: Aus der Vergangenheit scheint auf sie das Licht des Warum, und aus der Zukunft strahlt das Wozu auf alles. Das Licht beider Quellen bricht sich in der Gegenwart, so dass sich mir kein sinnvolles zusammenhängendes Bild ergeben will. Ohne diese Brüche aber, so denke ich mir, würde die Zukunft nahtlos und notwendig aus der Vergangenheit folgen, so dass ich wohl nur in einer mir halbwegs absurd erscheinenden Welt frei sein kann.