Postpatriarchale Trickkiste, Trick Nr. 3: Erkenne und wertschätze den gerechten Anteil Deiner Wut

Nicht alles an meiner Wut ist falsch und patriarchal. Wut ist auch eine für die Selbstverteidigung notwendige Emotion. Wenn ich alle patriarchalen und projektiven Anteile meiner Wut identifiziert und reguliert habe, bleibt oft ein Anteil sinnvoller, der gegenwärtigen Situation angemessener Anteil übrig.

Dieser Anteil kann zum Beispiel die Wut darüber sein, dass meine Partnerin schlimme Erfahrungen, die sie mit anderen Männern* gemacht hat, auf mich projiziert und mich bekämpft statt diese Männer*. Feministen wie ich bekommen diese Wut wahrscheinlich überdurchschnittlich oft ab, weil wir oft in Beziehung mit feministischen Partnerinnen* leben, die ihre Wut auf das Patriarchat und maskulinistische Männer* nicht unterdrücken und sehr bewusst wahrnehmen, was sie erlitten haben und erleiden. Oft sind aber die Verursacher ihrer Schmerzen außer Reichweite. Feministinnen* haben aus guten Gründen keinen Kontakt mehr zu diesen Männern* oder sie sind aus anderen Gründen unangreifbar, vor allem ihre Väter, in deren Beziehungsgeflecht sie verstrickt sind.

Deshalb landet die gerechte Wut meiner Partnerin auf diese Männer* dann bei mir und in unserer Beziehung, und ich muss damit umgehen. Eine mögliche Weise ist, meine gerechte Wut zu zeigen, also ebenfalls wütend auf projektives wütendes Verhalten meiner Partnerin zu reagieren. Es ist keine sinnvolle Reaktion, als Feminist die Schuld patriarchal agierender Männer* stellvertretend auf sich zu nehmen und sich klein zu machen. Die Gruppe der Männer* würde sich auf Dauer dann nämlich aus zwei Teilgruppen zusammensetzen, patriarchalen, gewalttätigen, maskulinistischen Männern*, die Frauen* verletzen, und feministischen, aber unterworfenen, hilflosen und von Schuldgefühlen beherrschten Männern*. Das ist keine Option für eine feministische Befreiung der Gesellschaft und wird das Problem nicht lösen.

Damit ich meiner Partnerin gegenüber meine gerechte Wut ausdrücken kann, ohne die Beziehung zu schädigen und meiner Partnerin wehzutun, muss ich vorher aber sorgfältig und gründlich Trick 1 und 2 anwenden und mir die Anteile meiner Wut bewusst machen, die nicht gerecht, sondern patriarchal sind, und diese Anteile regulieren, statt sie auszuagieren. Oft bleibt dann eine sehr gemäßigte Wut übrig, die ein Gespräch miteinander ermöglicht.