Good Old Bullshit

Tobias Kniebe meint, wir würden ohne das „good old Urheberrecht“ den superreichen Künstler vermissen. Ohne „fuck-you-money“ für geniale Ideen wie Harry Potter und Star Wars, deren Urheber sich niemandem unterordnen müssen, verkäme alle Kultur zu einer lauen und dienstbeflissenen Langeweileshow. („Zählt ihr nur eure Erbsen“, SZ vom 15./16.9.2012)

Wie es sich für einen gehobenen Bildungsbürger gehört, versieht Kniebe seinen Artikel mit einer Ouvertüre, in der er sanft Adornos „Verblendungszusammenhang“ streift und sehr harmonisch passend dazu die Kapitalismuskritikharfe kurz anzupft. Das dient aber nur dazu, bei dem ebenfalls bildungsbürgerlich sozialisierten Leser die passende Stimmung für die Lektüre einer ordentlichen Portion Gesellschaftskritik herzustellen.

Die besteht vor allem darin, die Forderungen der Commons-Bewegung, kulturelle Inhalte im Netz frei verfügbar zu machen, als Anschlag auf Freiheit und Genie in der Kunst zu diskreditieren.

Ich finde es ja löblich, dass Kniebe die ohne ordentliche Arbeit superreich gewordenen Künstler als Symbole für die Möglichkeit, ohne Duckmäuserei und Plackerei seinen Weg zu machen, im Sinne der gesellschaftlichen Förderung von Freiheit vor den bösen Communarden der neuen Medien retten will. Was ich mich frage, ist aber: Ab welchem monatlichen Einkommen habe ich eigentlich die „fuck-you-money“-Grenze erreicht und bin endlich frei? Reichen 1000 Euro für meinen persönlichen kleinen Haushalt, Essen, Miete und gelegentlich die neue Scheibe von eels, nicht aus, um dem Chef im Büro den Finger zu zeigen? Wieso brauche ich dazu die Milliarde? Und wäre die Milliarde nicht im Sinne der gesellschaftlichen Förderung von Freiheit und Genialität besser angelegt, wenn sie gleichmäßig auf viele kleine monatliche 1000-Euro-fuck-you-Förderungen verteilt würde? Mehr noch, wieso brauche ich für meine eigene kleine Fuck-you-Einstellung eigentlich J.K. Rowling als Symbol für den Erfolg kreativer Ideen?

Ein Freund von mir ist Lastwagenfahrer. Als wir auf einer Party im Spaß anfingen, unsere persönliche Denkerpose vorzuführen, sagte er: „Meine Denkerpose sieht so aus.“ Dabei er fuhr sich bedächtig mit dem ausgestreckten Mittelfinger über die Augenbraue. Ich glaube, in Sachen „fuck-you-Einstellung“ könnte Tobias Kniebe von meinem Freund einiges lernen, genauso wie von all den anderen Menschen auf der Welt, die ohne die Milliardengrenze geknackt zu haben täglich ihre „fuck-you-Einstellung“ gegenüber Chefs und dem ganzen autoritären Gesocks, das versucht, unser Leben zu kontrollieren, aufrechterhalten, und zwar ohne, dass sie dabei mit glasigem Blick auf Symbole wie George Lucas starren. Solche Symbole von Freiheit werden im Kapitalismus vor allem dazu geschaffen, echte, reale Freiheit zu ersetzen durch die bloße Hoffnung auf mögliche zukünftige Freiheit.

Das „Good Old Urheberrecht“ will ich aber trotzdem nicht abschaffen. Von mir aus sollen J.K. Rowling, George Lucas und Phil Collins vor sich hinsymbolisieren, soviel sie wollen. Ich will bloß nicht in einer Zeitung, die ich monatlich bezahle, Pseudoargumente über symbolische Freiheit im Kapitalismus lesen müssen, die jetzt dazu geführt haben, dass ich eine Stunde lang statt an meinem Roman zu schreiben diesen Blogartikel schreiben musste.