Nijmegen 2012

Ich habe noch nie einen Satz gelesen, der gleichzeitig so fundamental und so fundamental egal ist. Hätte ich einen Hut aufgehabt, ich hätte ihn gezogen.

Angst vor der Freiheit

someone to shame us
someone to blame us
someone to rule us
someone to follow
we want you Big Brother
 
David Bowie, Diamond Dogs
 

Menschen, die sich unterordnen wollen, finden immer einen Weg, das zu realisieren, solange die Gesellschaft Strukturen und Prozesse der Herrschaft bereithält.

Hitlers Worte „…dass ihr mich gefunden habt unter so vielen Millionen“ haben deshalb so stark auf mich gewirkt, weil sie eine Wahrheit aussprechen, die man gerne verdrängt: Dass Millionen von Menschen in der Weimarer Republik einen Ausweg aus der Freiheit, die ihnen zu gefährlich war, gesucht haben und diesen Menschen Hitler zu ihrem Mittel zu diesem Zweck gemacht haben: Sie haben ihn an die Spitze ihrer totalitären Bewegung gesetzt, und er konnte sich auserwählt fühlen, allerdings hätte es auch jemand anderes sein können, entscheidend war das Prinzip der Unterordnung, nicht, wer an der Spitze stand.

Deshalb ist die Dämonisierung Hitlers, die Mär, es habe sich um ein außerordentlich begabtes, wenn auch böses Genie gehandelt, im Grunde nur der ferne Schatten der Prozesse, in denen die meisten Deutschen ihre Freiheit an ihn abgaben, weil sie ihnen zu schwierig zu bewältigen war. Im Nachhinein soll nun Hitler verantwortlich gewesen sein für eine kollektiv erzeugte Katastrophe, soll dieselbe Funktion historisch wieder erfüllen: Die Millionen Menschen von ihrer Verantwortung zu befreien.

Männer, we’re free at last!

Mir wurde gerade klar, welche Leiden die männliche Herrschaft den Familienvätern, Wirtschaftsbossen und patriarchalen Mächtigen dieser Welt eigentlich seit Jahrtausenden abverlangt hat.

Immer sollte der Vater, der Chef oder sonst ein Bartträger in den kompliziertesten und vertracktesten Situationen wissen, was für alle das Beste ist: Egal, ob die Geliebte des Sohnes dem der Mutter verhassten Nachbarclan angehörte, ob in der ökonomischen und gesellschaftlichen Situation völlig unklar war, welche Ausbildung die Kinder in eine prosperierende Zukunft führt, ob hunderte von Interessengruppen im Königtum um Einfluss buhlten: Immer sollte der Vater, König, Chef, Pabst wissen, was zu tun ist.

Meistens hatte der jeweils Betroffene von meinen Geschlechtsgenossen genauso wenig Ahnung wie alle anderen, was das Beste ist, und musste dennoch ständig so tun, als wüsste er’s. Welch lange Jahrhunderte der Lüge, der Fehlentscheidungen, der vergeblichen Mühsal und Plackerei! Wie oft musste sich ein armer Hansel wie ich verstellen, um das Bild des charakterlich starken, weisen, mutigen und besonnenen Herren des Schicksals aufrechtzuerhalten!

Thank Goddess, we’re free at last! Die Frauen haben uns befreit. Es hat ein Ende mit der langen Qual des Patriarchats. Zeit zu feiern.

Die Sonne geht auf

Ich bin erstaunt, dass gerade die Sonne aufgeht, denn sie ist gelb, nicht rot, wie es in diesem uraltschmachtfetzenden Arbeiterlied, dass unmerklich vom Patriarchat zeugt, angekündigt war:

 

„Dem Morgenrot entgegen…“

Da geht man sowieso immer jeden Morgen neu los und kommt nie an.

Freiheit, Gleichheit, Solidarität

Wer glaubt, Freiheit und Gleichheit widersprächen sich und man könne den einen Grundwert der Französischen Revolution nur Auf Kosten des anderen in einem Gemeinwesen verwirklichen, der hat nicht verstanden, dass Solidarität sowohl die Bedingung von Freiheit und Gleichheit als auch ihre Synthese ist.

Das Ende der Nerdigkeit

Der Nerd in mir muss weg. Er bastelt bis nachts an seinen technischen Problemen und fuchst sich ein, es macht ihm Spaß, Nerd zu sein. Aber alles, was er tut, tut er nur um des Tuns willen, nicht für irgendein Ziel.

Heute habe ich meinen CD-Player repariert. Abnerden. Mein Nerdigkeitsglück währte nur 10 Minuten, jetzt geht er wieder. Ich hatte ein Ziel, ich habe es erreicht, over and out. Mein innerer CD-Reparier-Nerd hatte seinen Job gemacht.

Der Nerd lässt sich so wunderbar für fremde Ziele einspannen, weil ihm bloß seine Tätigkeit etwas bedeutet, nicht, mit welchem Ziel sie verwendet wird.

Setzt eure ostentativen Nerdbrillen ab und kommt zurück ins Leben.

8.1.2012

 

SZ Jahresrückblick 2011

Mein Bild des Jahres 2011 zum Thema Krieg und Medien: Osama bin Laden bedient seinen Fernseher, während Hillary Clinton und Barack Obama seine Exekution durch ihre Soldaten filmen lassen und sie sich live anschauen. Die Zeitung veröffentlicht die Bilder, nachdem die Unterlagen auf Clintons Laptop verpixelt wurden. Ich fotografiere die Zeitung und stelle sie mit meinem Kommentar ins Internet. Wer weiß, was dort damit passiert. Wer oder was beherrscht hier eigentlich wen oder was? Und was oder wer bedient was oder wen? Der mit der Uniform tippt jedenfalls.