Big world, short life

Big world, short life

I was born in kentucky, no stars did shine that night

though I was red and shrinkled, I was my fathers pride

My parents were old-fashioned, they told me all the rules

they told me ‚bout Jesus passion and that smoking was for fools

Chorus:

It’s a big world and it’s hard to get along

I got no map, but I got to carry on

It’s a short life and there is so much to do

I wish I knew when I’m coming home to you

I couldn’t stand the reading, so I cheated on the tests

I felt like I had left schools much wiser than the rest

My dad sent me to collage, I tried to meddle through

I failed to gain some knowledge, but I managed to meet you

Chorus

The first three years were happy, our first boy born in may

your father bought the house that my wages should pay

my boss was a control freak and made me work too hard

the sex became a habit and our love just fell apart

Chorus

The eldest of our sons is already in jail

they all call it bad luck, I say his father’s failed

I lost all my possessions gambling out in town

No college for my children, I had to let them down

Chorus

Now I have two jobs, at least they pay the rent

so that our four dear children don’t have to sleep in tents

I have to stay out long though, our daughter used it well

she had a dozen boys until her belly swelled

Chorus

You left early this morning with the suitcase and the car

and all that you have left me was a swearword and a scar

and I can’t even blame you ‚cause I betrayed you twice

but swearwords in front of children, that wasn’t very nice

Chorus

© lyrics/music by Arne Erdmann 2015

Das Sonnencreme-Problem oder: Wie es ist, Single zu sein, Folge 1

Unerklärlicherweise gibt es an menschlichen Körpern ein Areal, das man sich nur unter Verrenkungen und Schmerzen ohne Hilfe von anderen selbst mit Sonnencreme einschmieren kann. Ja, genau, ich meine diese unzugängliche Stelle unter den Schulterblättern, die ich persönlich nur mit allergrößter Mühe mit den Fingerspitzen erreichen kann. Was für ein Aufwand! Was will Gott mir damit sagen? Warum hat er meinen Körper so gebaut, dass ich mir fast die Arme brechen muss, um jede Stelle meines Körpers mit Sonnencreme einzucremen? Ich weiß – es steht geschrieben, es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, aber reicht es nicht, dass alle einen anschauen, als hätte man ein schlimmes Gebrechen, wenn man alleine in Urlaub fahren und ein Zimmer buchen will? Reicht es nicht, dauernd in dem Bewusstsein zu essen, dass, wenn du dich verschluckst, niemand da ist, der dir auf den Rücken klopft oder einen Luftröhrenschnitt macht, um dich vor dem sicheren Erstickungstod zu retten? Reicht es nicht, abends einschlafen zu müssen, ohne dass jemand dir leise „love me tender“ singt? Ist das nicht schlimm genug? Das sollte doch reichen, um die meisten Seelen zu Paarbeziehungen zu motivieren. Wozu dann die verdammte Problematik beim Eincremen mit Sonnenmilch?

Wenn ich eine Vermutung äußern darf: Gott will mir wohl mitteilen, dass es nicht sein Wille ist, dass ich alleine am Strand liege und in der Sonne mein Leben genieße. Und er will, dass die anderen Touristen um mich rum meine hilflosen Verrenkungen mitleidig aus der Ferne ansehen und sich denken: „Ach, der arme Kerl, er ist wohl Single, na ja, zum Glück hab ich Familie, das ist ja nun wirklich kein Leben so alleine.“

Ich schließe daraus: Gott ist nicht mit mir und will mir eine Lektion erteilen, damit ich mein Leben ändere. Aber ich habe eine Nachricht für Gott: Ich creme mir inzwischen mit so einer Routine selbst den Rücken ein, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenke und schon in Gegenwart von Freunden niemanden mehr um Hilfe bitte. Und sollte ich im Alter dazu zu ungelenkig werden, kann ich mir immer noch eine Hilfshand basteln, mit der ich die unerreichbaren Stellen unter meinen Schulterblättern eincreme. Denn eins ist klar: Sollte ich eine Beziehung anfangen, so will ich das nicht wegen des Sonnencreme-Problems tun. Am romantischsten fände ich es, wenn ich mich eines Tages neben einer wunderschönen Frau am Strand fände, die sich mit einer total ausgefeilten und kreativen Technik selbst den Rücken eincremt, genau wie ich. Wir würden dann lachen und Tipps austauschen.

Das 11. Gebot

Du sollst niemanden erniedrigen.

Das muss beim Alterungsprozess der Qumran-Rollen irgendwie verloren worden sein.

PS: Ach nee, der mit den Geboten war ja Mose… oder hieß der Moses?

Angewandte Labyrinthik

Im Moment erscheint mir diese Welt wie ein relativ großes Labyrinth. Ich weiß morgens meistens nicht genau, wo ich abends rauskommen. Um mich besser orientieren zu können, habe ich die „angewandte Labyrinthik“ entwickelt. Das ist eine methode, anhand derer man sich in seinem Tag zurechtfinden kann.

Es funktioniert so: Verwende die folgenden regeln, allerdings nicht immer.

1. Misstraue Autoritäten.

2. Gebe Autoritäten, wenn Sie Dich zwingen wollen, nur nach, wenn Du keine andere Möglichkeit findest.

4. Denke immer daran: Die Macht ist nicht mit Dir. jedenfalls meistens nicht. dazu hat sie keine Zeit.

5. Wenn Du keine Ahnung hast, wo es langgeht, frage jemanden, der sich in der Gegend auskennt.

Neusprech – ganz alte version

Nachdem ich mal wieder eine Nacht richtig durchgeschlafen habe, wurde mir gerade etwas klar: Vielleicht kennst Du den Ausdruck „Lügen wie gedruckt“ – manche menschen sagen das manchmal.

mir ist jetzt aufgefallen, dass ich immer dachte, ich wüsste, was das bedeutet. ich habe aber in wirklichkeit überhaupt keine ahnung. wieso sollte gedrucktes (zum beispiel dieser blogeintrag) irgendwie „gelogener“ sein als gesprochenes? gesprochenes kannst du jederzeit abstreiten. Gedrucktes hat in der regel Spuren, die seine Herkunft verraten, mit Positiven (Machtkritischen) und negativen (vermachtenden) Effekten. Im Internet ist das nicht immer so, sondern nur bei guter Programmierung. Dieser Blog zum Beispiel ist mit der Open Source Software „WordPress“ erstellt. Diese Software speichert die Versionen meiner Texte automatisch, so dass alle Änderungen später nachgeprüft und auch rückgängig gemacht werden können. Aber auch gefälschte Internetseiten muss jemand erstmal fälschen, und auch das Fälschen hinterlässt Spuren. Rekonstruktion des Tathergangs nicht auszuschließen.

Es müsste also eigentlich ehrlicherweise heißen: gesprochen wie gedruckt äh – was habe ich gesagt .. ich meine geschrieben wie gedruckt ich meine gedruckt wie gelogen ach scheiße! ich komme bei dem ganzen gelüge nicht mehr zurecht. liebe leser*in entschuldige die rechtschreibfehler, ich finde das aber nicht so wichtig wie eine sprache zu entwickeln, in der nicht dauernd irgendwelche redewendungen verwendet werden, die wahrscheinlich seit 1933 schon genau so verwendet werden und die einfach noch niemand hinterfragt hat. so. jetzt esse ich erstmal ein leckeres frühstück und lese was schön gedrucktes. ein grimmiger

arne

 

PS: Wieso heißt es eigentlch „grimmig“? kann das mal jemand in einem etymologischen wörerterbuch nachschlagen und mir mailen, woher das wort kommt?

PPS: Meine Chronik zeigt übrigens bereits jetzt einige geänderte Rechtschreibfehler an… 😉

Wie verstehe ich, was meine Ärzt*in mir damit sagen will?

Meine Ärztin hat jetzt kürzlich zu mir gesagt, ein weiterer „Ausbruch“ einer Krankheit, die ich mal hatte, sei nicht zu erwarten.

Ich frag mich jetzt, warum im Deutschen Krankheiten eigentlich „ausbrechen“. Als wären die immer da, bloß irgendwo im Körper schön eingesperrt und würden jetzt manchmal eben über den Zaun klettern.

Lustig ist, wenn man in Leo nachschaut, wie das übersetzt auf Englisch heißt: Sich eine Krankheit zuziehen/sich mit einer Krankheit anstecken heißt in dieser schönen Sprache „to contract a disease“.

Während wir Deutschen also irgendwie so reden, als wären Krankheiten Häftlinge, die man einsperren, aber nicht wirklich loswerden kann, sind die Engländer auch in diesem Feld Vertragstheoretiker*innen und stellen sich das krank werden eher vor wie einen Deal mit ner Krankheit: „Hey, Grippe, ich hab keinen Bock, morgen zur Arbeit zu gehen, können wir da vielleicht ins Geschäft kommen?“

Ich werde meiner Ärztin beim nächsten Termin sagen, dass ich den Vertrag mit dieser alten Krankheit jetzt gekündigt habe, weil die gegen die Vertragsbedingungen verstoßen hat, indem sie dauernd ausgebrochen ist. Mal sehen, wie das deutsche Gesundheitswesen in Gestalt meiner Ärztin darauf reagiert.

RepEx – Mein erstes selbstgeschriebenes Programm

In der Zeitung reden jetzt immer mal wieder Leute von „Mensch-Maschinen“, von so einer Art siamesischen Zwillingen, bestehend aus einem Leut und seinem Macbook, Smartphone oder Tablet, und wenn ich überlege, wieviel Zeit ich an diesem Rechner hier verdaddele, kann ich nicht ganz leugnen, das auch ich zu verwachsen beginne.

„Was tun?“ sprach nicht nur Lenin, und da habe ich mir überlegt, die Sache nicht wie bisher mehr oder weniger erfolgreich zu ignorieren, sondern aktiv anzugehen. „Challenge!“ sagte ich mir, und setzte mich intensive 3 Minuten hin, um extrem angestrengt nachzudenken. In der Zeit habe ich mich als Mensch-Maschine ganz ernst genommen, mich so akzeptiert, wie ich bin, und habe mir selbst ein Programm geschrieben und es auch gleich auf mir installiert und gestartet.

Das Programm geht so: Wenn ich sehe, dass ein neuer Tag angebrochen ist, dann habe ich die Aufgabe, an dem Tag für jeden Gegenstand, den ich erwerbe und der in meinen Haushalt kommt, einen anderen Gegenstand abzugeben. Dabei ist es egal, ob ich den Gegenstand verkaufe oder verschenke oder einfach was Geliehenes zurückgebe.

Außerdem habe ich die Aufgabe, an dem Tag eine Sache zu reparieren, die nicht mehr richtig funktioniert.

Das Programm habe ich RepEx genannt (von „Reparieren“ und „Ex und hopp“). Und es läuft auf mir ziemlich gut, an manchen Tagen stürzt es noch ab, wenn ich zu viele andere Programme parallel laufen habe, die irgendwer auf mir installiert hat, packt das mein Prozessor offensichtlich nicht so richtig.

Meistens ist das Hauptproblem dieses Programm „Arbeit“, das total viel Prozessorleistung frisst (Laut Task-Manager so um die 50%), ich glaube, das hat bei mir der Kapitalismus installiert, weil ich am Anfang meines Montas immer aufs Konto schaue und dann sind da 1900 Euro neu drauf und ich vermute, das ist der Kaufpreis für die 50% monatliche Rechenleistung meines armen kleinen Gehirns.

Zum Glück hab ich nur ne halbe Stelle und so bleiben meinem Gehirn 50% Rechenleistung übrig, mit denen ich zum Beispiel lustige kleine Programme wie RedEx schreiben kann, die mein Leben bereichern. Ich hab jetzt schon repariert: meinen Lieblings-Karate-Anzug, den mir ein übereifriger Übungspartner zerrissen hatte, einen schönen Wollpullover, unsere Wohnungstür und mein Fahrrad.

Zugegeben, die Funktion von dem Programm, wo es um das Weggeben von Dingen geht, die „Ex“-Funktion, hat noch ein paar Bugs, zum Beispiel schmeiße ich oft einfach nur Pfandflaschen in den Automaten und sonst geb ich an dem Tag dann nichts mehr ab. Außerdem registriert das Programm irgendwie nicht genau, was ich eigentlich alles neu ansammele, und deshalb hab ich den Eindruck, ich geb nicht genug ab, so dass ein Gleichgewicht entsteht. Da muss ich wohl nochmal nachprogrammieren, weil so die Menge von Zeug in meiner Wohnung doch noch immer stetig ein bisschen anwächst.

Aber insgesamt bin ich mit meinem Programm ziemlich zufrieden, und deshalb möchte ich es hier mit Euch teilen. Es steht unter der Open Source Lizenz „SCHMU“ (Schabernack mit dem Untergang) und ihr könnte es euch gerne installieren und dann im Userforum (siehe Link oben) ein Feedback posten.

Herta Müller in Marburg

Mein Erlebnis der Lesung von Herta Müller am 27.11.2014 in der Alten Aula der Marbuger Philipps-Universität

Ich war zuerst nicht sicher, ob ich hingehen sollte. Eine Nobelpreisträger*in liest in der förmlichen und traditionsüberlasteten Atmosphäre der Alten Aula der Marburger Philipps-Universität aus ihren Werken. Vor meinem inneren Auge figurierten die Honoratioren unseres mittelhessischen Städtchens in Abendgarderobe in dunklen Farbtönen, ein steifes und irgendwie unangenehm bleiernes Gefühl erfasste mich bei dem Gedanken. Ich ging trotzdem hin, denn ich interessiere mich für Dissidenz. Und, obwohl mein inneres Auge hinsichtlich der honorablen Atmosphäre prophetische Kompetenzen beweisen sollte (ich kam zu allem Überfluss auch noch auf einer harten, mittelalterlich anmutenden, aber vermutlich aus deutschnationalen Gründen im wilhelminischen Kaiserreich genau so geschreinerten Holzbank zum Sitzen), wurde ich von Herta Müller für die Erduldung dieser Peinlichkeiten tausendfach belohnt.

Durch ihre im Rumänien der Ceaucescu-Diktatur veröffentlichten Texte geriet sie ins Visier der Securitate, des allgegenwärtigen Geheimdienstes der sozialistischen Repressionsmaschine. Immer und überall unter Beobachtung, in Angst vor Spitzeln und politischem Mord, schrieb sie, auch in der Fabrik, in der sie arbeitete, nach ihrer Ächtung gezwungenermaßen auf der Treppe der Fabrik, bloßgestellt.

„Die Texte waren etwas, was du selbst bestimmt hast. Das war ein Stückchen richtiges Leben im falschen.“ Skurilerweise, so erzählt Herta Müller, sei die Diktatur ein gutes Umfeld für Literatur gewesen. Alle, auch die einfachen Arbeiter*innen in der Fabrik, kannten Gedichte auswendig, weil sie sie brauchten, um dem mörderischen Druck der Repression einen inneren Widerstand entgegenzusetzen. Und die Texte, die die Menschen dazu auswählten, an die sie sich erinnerten, seien gute Literatur gewesen. Die Nobelpreisträger*in erklärt das so:

„In Situationen, die Angst erzeugen, halten nur Texte stand, die dicht sind, die dich beruhigen, dich nicht täuschen.“

Als sie es schafft, nach Deutschland auszureisen, wird sie erstmal tagelang vom BND verhört. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben in Rumänien, von Securitate-Spitzeln unterwandert, habe, so Müller, sie vermutlich beim BND als Securitate-Spionin verleumdet, und „diese Deppen haben denen geglaubt. Ich habe gedacht, die Welt ist entgleist.“

Als es schließlich um ihren rechtlichen Status in Deutschland geht, übertreffen sich die deutschen Behörden selbst. Herta Müller: „Sie haben gesagt: `Sie müssen sich schon entscheiden: Entweder sind sie Deutsche oder politisch verfolgt, beides zusammen geht nicht. Dafür haben wir keine Formulare.‘ “ Die Dichter*in antwortete: „Dann geben sie mir zwei.“

Gegen ihre Vereinnahmung als Heimatdichter*in wendet sie sich dezidiert: „Heimat braucht man nicht. Man hat einen Kleiderschrank und Freunde.“ Wie brüchig Freundschaften in einer von Spitzeln vergifteten Zeit aber sind, davon gibt ihr Text „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ Zeugnis, aus dem sie vorträgt: Ihre einzige Freund*in in der Fabrik in Rumänien, Teresa, die sich trotz Müllers Ächtung und Isolation zu ihr zum Essen auf die Treppe der Fabrik gesetzt hat, als es noch gefährlich war, zu ihr zu stehen, besucht sie später in Deutschland. Herta Müller schöpft Verdacht, findet in Teresas Koffer ein Duplikat des Wohnungsschlüssels zu Müllers Wohnung, zusammen mit einer Telefonnummer. Sie ruft an, hört: „Rumänische Botschaft“. Sie weiß: Teresa ist vom Geheimdienst auf sie angesetzt worden. Später erfährt sie, dass Teresa zu dem Zeitpunkt auf den Tod krebskrank war, die Securitate hat ihre Verzweiflung ausgenutzt.

Müller plädiert trotz aller in ihren Worten immer mitklingenden Wut und Empörung für differenziertes Beurteilen. So sei zwar Oskar Pastior auch als Spitzel für den Geheimdienst aktiv gewesen, er sei aber in einer verletzlichen Position gewesen, weil 7 Gedichte über das russische Lager, in das er deportiert worden war, gefunden wurden und er mit Haft bedroht wurde, außerdem habe er innerhalb von 10 Jahren nur 7 harmlose Berichte an den Geheimdienst abgeliefert. Nützliche Spitzel hätten mindestens alle 2 Wochen einen Bericht geschrieben.

Abschließend ein paar Worte zu den beklemmenden Aspekten des Ortes der Lesung. Im Grußwort sagte die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Krause: In diesem Saal, mit so vielen äußeren Bildern, werde es Herta Müller sicher nicht schwer fallen, auch innere Bilder hervorzurufen. Ich schaute mir daraufhin eines der Bilder, die die Wände der ehrwürdigen Alten Aula der Marburger Universität mehr bedecken als schmücken, etwas näher an. Das, unter dem ich saß, zeigt in historistischem Stil laut Bildunterschrift in Fraktur folgendes: „Friedrich II verabschiedet Deutschordensritter nach Preußen.“ Angeblich spielte sich die dargestellte Szene im 13. Jahrhundert ab. Kreuze auf dem Waffenrock zeigt das Bild nicht. Dazu muss man wissen, dass es in Marburg eine Niederlassung des Deutschritterordens gab. „Diese Aula ist einfach ein Zeugnis der Konstruktion deutschnationaler Identität“, dachte ich. Danke an den feinsinnigen und musisch interessierten Kaiser Friedrich II (den mittelalterlichen) für die frühe Akquise von Lebensraum im Osten. Dass besagter Friedrich II., obschon deutscher Kaiser, die meiste Zeit seines Lebens in Sizilien weilte und sich bei mediterranem Sonnenschein am Wein und der feinen Kultur des Mittelmeerraums mit ihren arabischen Einflüssen ergötzte, scheint den Maler des Bildes und seine universitären Auftraggeber nicht so interessiert zu haben. Die Deutschordensritter hätte ich an Friedrichs Stelle aber auch lieber nach Preußen zum Morden und Brandschatzen geschickt, statt sie auf meine Party am Gestade Siziliens einzuladen, wo sie grob die ortsansässigen Schönheiten begrapscht hätten.

Ich bin um jedes Wort froh, das Herta Müller an diesem Abend gesprochen hat. Die inneren Bilder, die sie in mir hervorgerufen hat, waren wesentlichen wahrer als die äußeren Bilder in der Alten Aula der Marburger Universität. An der Alten Aula war vor allem eines sehr wahr: Die Härte der deutschnationalen Holzbank, auf der ich saß, nur leicht gemildert von einem dünnen Sitzkissen, vermutlich während der Bildungsexpansion der 1960er und 70er Jahre angeschafft. Gerade dick genug, um Herta Müller vom ersten bis zum letzten Wort aufmerksam zuhören zu können.