Postpatriarchale Theoriebildung

Unsere Beziehungen sind durch die männliche Herrschaft massiv geschädigt, auch in meiner Generation, obwohl ich zu den Kindern der 2. Frauenbewegung gehöre, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts das Patriarchat glücklich sturmreif geschossen hatte. Das war die halbe Miete, und ich bin sehr dankbar dafür, aber stürmen müssen wir bis heute.

Ich glaube, dass wir in den feministischen Gemeinwesen von unseren Partner*innen insgeheim oft erwarten, dass sie die Verletzungen heilen, die uns in unseren patriarchal deformierten vorherigen Beziehungen, inklusive denen zu unseren Eltern, zugefügt wurden.

Das ist, glaube ich, eine in weiten Teilen unerfüllbare Erwartung, weil das Genesen vom Patriarchat nur ein gesamtgesellschaftlicher Heilungsprozess sein kann. In privaten Beziehungen ist das nur sehr begrenzt möglich, weil sie einen engen Rahmen haben, innerhalb dessen bloß relativ kleine Freiräume für gegenseitige Fürsorge und Akzeptanz möglich sind.

Die sturmreife, aber noch nicht gestürmte männliche Herrschaft erzeugt Chaos, nebeneinander stehende, miteinander konkurrierende soziale Ordnungen, die dann in unseren Beziehungen als Widersprüche im Fühlen, Denken und Handeln schmerzhaft wirken. Ich widerspreche mir selbst, und Du widersprichst Dir selbst, das ist eine komplexe und unberechenbare Situation, wir scheitern deshalb oft darin. Wir sind außerdem damit großteils alleingelassen, denn weder die Staaten, noch andere Institutionen unterstützen uns wirklich solide in dieser Aufgabe. Wir müssen uns selber helfen, aber das geht vermutlich nur in großen Gruppen und sozialen Bewegungen, weil nur die sich genug ermächtigen können, aber dabei zugleich eigene Dynamiken haben und die Komplexität oft nochmal steigern, was auch nicht gerade hilft.